Björn Larsson, Long John Silver

Vor der Idee, die Larsson hatte, kann man nur den Hut ziehen: Er nimmt sich eine der profiliertesten Gestalten der Literaturgeschichte und lässt sie die eigene Biographie schildern. Da es sich bei der Figur um Long John Silver handelt, ist die Aufmerksamkeit jedes Treasure-Island-Fans gewiss. So auch meine.

Silver erzählt also in diesem Roman, wie er zur Seefahrt und schließlich zur Piraterie gekommen ist. Er berichtet (in Kürze) von seiner Zeit unter Captain Flint und wie er auf Madagaskar seine Ruhe gefunden hat.

Die Anfänge sind passend zur Lebenszeit Silvers vergleichbar mit den für seine Zeit populären Bildungsromanen, wenn man vom modernen Rahmen absieht, in dem der Erzähler durch die Zeiten springt. Wer diese Literatur mag, kommt hier voll auf seine Kosten. Larsson kombiniert Silver dazu mit anderen echten oder erfundenen Gestalten. Er lässt ihn Bekanntschaft mit Defoe schließen, mit verschiedenen anderen bekannten Piraten fahren und an berüchtigten Kaperfahrten teilnehmen.

Erst zum Ende hin scheint Larsson nicht recht gewusst zu haben, wie er den Bogen schlagen soll zu der Zeit, die für die Treasure-Island-Fans am interessantesten sein dürfte: die Zeit unter Flint.

Dazu bedient er sich eines Tricks, der meines Erachtens übertrieben ahistorisch ist. Er lässt Jim Hawkins selbst Autor werden und schiebt diesem die Niederschrift der Abenteuer in Bristol, auf der Hispaniola und auf Treasure Island zu. Silver bekommt dieses Buch in die Finger und schreibt Hawkins einen langen Brief, in dem er aus der Zeit mit Flint erzählt.

Das Merkwürdige ist: Nachdem Flint zu Beginn kurz vorkommt, wartete ich viele Seiten lang darauf, dass Silvers Abenteuer mit Flint geschildert werden. Als es dann so weit war, zeigte sich, dass der McGuffin, also der Verzicht auf diese Darstellung, dramaturgisch besser gewesen wäre. Larssons Schilderung macht den Erzpiraten nämlich dermaßen langweilig, dass ich mir gewünscht hätte, die letzten 50 Seiten nicht mehr gelesen zu haben. Davon abgesehen ist das Buch aber wirklich jedem Schatzinselfan zu empfehlen!


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